
Es war ein besonderer Tag in der Viola-Apotheke in Volkertshausen. Nicht nur, weil ich die Gelegenheit hatte, dem Team um Stephanie Haas-Komp über die Schulter zu schauen und einen authentischen Einblick in den Apothekenalltag zu bekommen. Sondern auch, weil an diesem Tag die bundesweite Blackout-Aktion stattfand – eine Protestaktion, mit der Apotheken auf ihre dramatische Situation aufmerksam machen.

Als ich die Apotheke betrat, hatte ich eine eher klassische Vorstellung davon, was mich erwarten würde: Rezepte annehmen, Medikamente ausgeben, vielleicht ein paar Fragen zu Dosierungen beantworten. Doch was ich erleben durfte, war so viel mehr.
Apotheken sind keine bloßen „Abgabestellen” für Medikamente. Sie sind Orte der Begegnung, des Vertrauens und der menschlichen Zuwendung. Hier findet Beratung statt – liebevoll von Mensch zu Mensch. Da kommt die besorgte Oma mit ihrem Enkel: „Mein Kleiner hat sich am Kopf gestoßen. Was würden Sie machen?” Die Apothekerin nimmt sich Zeit, schaut sich die Wunde an, beruhigt, erklärt.
Oder der ältere Herr, der eigentlich nur sein Rezept abholen wollte, aber dann doch noch einen Moment bleibt. „Wissen Sie, meine Frau ist vor ein paar Wochen verstorben.” Ein Satz, der still im Raum steht. Und die Apothekerin nimmt sich Zeit für ein paar tröstende Worte, ein offenes Ohr, echte menschliche Anteilnahme.
Was ich an diesem Tag erlebt habe, ist keine Ausnahme. Die Apotheke vor Ort ist vielerorts zu einem sozialen Treffpunkt geworden. Gerade für ältere Menschen, die alleine leben, ist der Gang zur Apotheke manchmal die einzige persönliche Begegnung des Tages. Hier werden sie gesehen, wahrgenommen, ernst genommen.
Diese soziale Dimension der pharmazeutischen Versorgung wird in politischen Debatten viel zu oft übersehen. Dabei ist sie gerade im ländlichen Raum von unschätzbarem Wert. Die Apotheke ist nicht nur Gesundheitsdienstleister, sondern Teil des sozialen Gefüges unserer Dörfer und Gemeinden.
Nicht umsonst fand an diesem Tag die Blackout-Aktion statt. Damit soll auf einen alarmierenden Missstand aufmerksam gemacht werden: die chronische Unterfinanzierung des Apothekensystems. Seit 2013 – also seit über einem Jahrzehnt – hat sich an der Vergütungsstruktur kaum etwas verbessert. Die Folgen sind dramatisch: Fast 20 Prozent aller Apotheken sind seitdem bereits verloren gegangen.
Jede Apotheke, die aufgeben muss, bedeutet längere Wege für Patientinnen und Patienten. Was in der Stadt vielleicht noch kompensiert werden kann, ist auf dem Land existenziell: Wenn die nächste Apotheke plötzlich 15 oder 20 Kilometer entfernt ist, wird der Zugang zu notwendigen Arzneimitteln zur Herausforderung – besonders für ältere Menschen ohne Auto, für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen oder für Familien ohne zweites Fahrzeug.

Mein Tag in der Viola-Apotheke hat mir eines klar gemacht: Es lohnt sich, politisch für den Erhalt unserer Apotheken vor Ort zu kämpfen.
Ja, Medikamente kann man auch online bestellen oder liefern lassen – letzteres bieten viele Apotheken wie die Viola-Apotheke selbst an. Aber die persönliche Beratung, das Vertrauen, die menschliche Zuwendung – das kann keine App ersetzen.
Mein herzlicher Dank gilt Stephanie Haas-Komp und dem gesamten Team der Viola-Apotheke für die offene und herzliche Aufnahme. Ich nehme aus diesem Tag viele Eindrücke mit – und die Verpflichtung, mich weiter für den Erhalt unserer wohnortnahen Apothekenversorgung einzusetzen.
Denn starke Apotheken bedeuten starke Gemeinden. Und genau dafür lohnt es sich zu kämpfen.